Aktuelles aus der Werkstatt (1.6.2022)
Auf Entdeckungsreise im „Orion-Nebelwald“
Auf Entdeckungsreise im „Orion-Nebelwald“
Galaktische Nebel üben eine magische Anziehungskraft auf Astrofotografen aus. Ihre meist rote Farbe durch ionisierten Wasserstoff und ihre recht große Winkelausdehnung machen sie zu einem regelrechten Foto-Blickfang - wenn man über ein passendes Instrumentarium verfügt. Das sind insbesondere ein lichtstarkes Objektiv mit großem Gesichtsfeld, eine rot empfindliche Kamera und erforderlichenfalls ein Filter gegen Lichtverschmutzung, denn alle galaktischen Nebel sind weniger hell als ihr bekanntester Vertreter, der Orionnebel M42. Mit dem Eintreffen des lang vorbestellten Breitbandfilters gegen Lichtverschmutzung Ende Februar habe ich da entsprechend "nachgerüstet". Im Vorfrühling leistete dann das Wetter bis auf einige Saharastaubwolken den noch fehlenden meteorologischen Beitrag. Das um diese Zeit gut sichtbare Sternbild Orion hat neben M42 weitere interessante Objekte für den Astrofotografen zu bieten. Auf meiner Wunschliste stand ganz oben „Barnard’s Loop“ und seine Umgebung. Dieser riesige lichtschwache Emissionsnebel ist auch teleskopisch visuell kaum auszumachen und hatte sich bisher meinen fotografischen Versuchen hartnäckig widersetzt. Jetzt aber war er „fällig“, auch wenn er nicht ganz auf den Fotochip passte. Für vollwertigen Ersatz sorgte hier jedoch der benachbarte Reflexionsnebel M78 mit seinen „Vasallen“, die nicht weniger reizvoll, aber fast genauso schwierig abzulichten waren. Während Barnard’s Loop ein reiner Emissionsnebel aus Wasserstoffgas ist, handelt es sich bei M78 & Co überwiegend um Reflexionsnebel aus Staub, die aber auch Wasserstoffgas enthalten. Alle gehören zum in rund 1500 Lichtjahren entfernt liegenden Orion-Nebelkomplex, einem Sternentstehungsgebiet in unserer Milchstraße. Auf dem um 90° nach links gedrehten Bild sind sie zusammen einträchtig versammelt. Der größere Teil von Barnard’s Loop beginnt jedoch erst außerhalb des unteren Bildrandes und erreicht mit einem "Looping" fast den Großen Orionnebel M42.
27.2.22 Barnard's Loop (Sh2-276) und Umgebung
203/400 RASA + EOSM100a + Breitbandfilter
41x30s ISO12800 (jpg), keine flats oder darks, kein guiding
gestackt mit DeepSkyStacker, endbearbeitet mit Photoshop + plugins und Fitswork
203/400 RASA + EOSM100a + Breitbandfilter
41x30s ISO12800 (jpg), keine flats oder darks, kein guiding
gestackt mit DeepSkyStacker, endbearbeitet mit Photoshop + plugins und Fitswork
Zur Verdeutlichung, wer nun wer im Einzelnen ist, das Negativbild mit Legende:
Die Entdeckungsgeschichte der Nebel hat sich über mehr als 200 Jahre erstreckt:
Barnard's Loop Sh2-276 1895 Edward Barnard (fotografisch)
NGC2071 1784 Wilhelm Herschel (visuell)
NGC2067 1876 Wilhelm Tempel (visuell)
M78 1780 Pierre Méchain (visuell)
NGC2064 1864 Heinrich Louis d’Arrest (visuell)
M78a 2004 Jay McNeil (fotografisch)
Barnard's Loop Sh2-276 1895 Edward Barnard (fotografisch)
NGC2071 1784 Wilhelm Herschel (visuell)
NGC2067 1876 Wilhelm Tempel (visuell)
M78 1780 Pierre Méchain (visuell)
NGC2064 1864 Heinrich Louis d’Arrest (visuell)
M78a 2004 Jay McNeil (fotografisch)
Nach dieser Aufstellung sieht es ganz so aus, als ob ich nicht der Erste auf Entdeckungsreise im "Orion-Nebelwald" bin. Der Reiz besteht für mich bereits darin, mit meiner bescheidenen Ausrüstung möglichst weit in die Tiefen des Alls vorzudringen, um dort einer anderen Welt zu begegnen und das in ästhetisch ansprechenden Bildern originalgetreu festzuhalten. Jay McNeil hat mit seiner Entdeckung von M78a im Jahre 2004 übrigens nicht nur gezeigt, dass das Weltall "lebt", sondern dass auch in der Gegenwart Neuentdeckungen mit Amateurmitteln nicht unrealistisch sind. Mit unseren GOTO-gesteuerten Hightech-Instrumenten hat man es zugegebenermaßen wesentlich leichter als die Pioniere von damals. Die besaßen dafür aber anscheinend bessere Augen und einen dunkleren Himmel als wir.