Aktuelles aus der Werkstatt (1.7.2024)
Saure-Gurken-Zeit
Saure-Gurken-Zeit
Damit sind wir bei den Negativ-Wirkungen der Tageslänge auf astronomische Beobachtungsmöglichkeiten in den sogenannten Weißen Nächten, in denen es nicht richtig dunkel wird. Astronomisch bezeichnet man mit "Nacht" ein Überschreiten der nächtlichen Horizontdistanz unserer Sonne um mindestens 18°. Die Länge der Nacht ändert sich dabei im Laufe der Jahreszeiten, da die Polachse der Erde gegenüber ihrer Bahnebene um etwa 23 Grad geneigt ist. Sie ist weiterhin abhängig vom örtlichen Breitengrad. Beispielsweise wird es in Fulda zwischen Ende Mai und Mitte Juli nicht richtig "Nacht". In den Weißen Nächten ertrinken die meisten Himmelobjekte bereits im natürlichen Licht, denn "Nacht muss es sein, damit Friedlands Sterne strahlen" (Wallenstein). Diesmal war die Saure-Gurken-Zeit für den Sternenfreund durch das Fehlen von markanten Planetenoppositionen und hellen Kometen besonders gravierend. Da blieben als Beobachtungs-/Fotoobjekte neben Sternhaufen und einigen Planetarischen Nebeln eigentlich nur noch Sonne und Mond sowie ausgefallene Planetenkonstellationen übrig. Im Prinzip ist das immer eine gute Gelegenheit für eine schöpferische Beobachtungspause. So lassen sich auch unnötige Schlafdefizite vermeiden, für mich Grund genug, mein Arbeitsprogramm auf "Stimmungsbilder" (Nightscapes) von Planeten mit Halbmond, Ausprobieren neuer Bearbeitungs-Apps und neuer Technik sowie Nachbearbeitung vorhandener Astroaufnahmen zu reduzieren. Dazu folgende Beispiele:
Auf dieser Webseite befindet sich bereits ein Bild der Galaxie NGC3521 vom 24.3.20 aus 30 Einzelbildern zu 30 Sekunden. Weil ich wissen wollte, wie sich eine Verlängerung der Gesamtbelichtungszeit auf das Stackergebnis auswirkt, hatte ich am 11.4.24 mit einem etwas abweichend orientierten Gesichtsfeld unter sonst vergleichbaren Bedingungen eine Serie von insgesamt 154 Bildern neu aufgenommen und beide Ergebnisse gemeinsam gestackt. Aus technischen Gründen hatte ich keine "Flatfields" zur Ebnung des Himmelshintergrundes angefertigt; die spätere Nachbearbeitung wurde dadurch nicht einfacher. Das kam dabei heraus:
Spiralgalaxie NGC3521 (m=9.2)
Hellste der im Bild enthaltenen Hintergrundgalaxien ist PGC33536 mit m ~ 14.9 in etwa 550 Mio LJ Entfernung.
203/400 RASA + EOS100Ma 24.3.20 30x30sec ISO6400 raw + 11.4.24 155x30sec ISO6400 raw (+Breitbandfilter) ∑ 185 x 30sec
gestackt mit DeepSkyStacker, nachbearbeitet mit Photoshop + Plugins sowie Fitswork
Hellste der im Bild enthaltenen Hintergrundgalaxien ist PGC33536 mit m ~ 14.9 in etwa 550 Mio LJ Entfernung.
203/400 RASA + EOS100Ma 24.3.20 30x30sec ISO6400 raw + 11.4.24 155x30sec ISO6400 raw (+Breitbandfilter) ∑ 185 x 30sec
gestackt mit DeepSkyStacker, nachbearbeitet mit Photoshop + Plugins sowie Fitswork
Im Vergleich des alten Bildes mit dem neuen habe ich, was die Grenzgröße (hier ~mag 18) bzw. Aufnahmetiefe angeht, sogar etwas mehr erwartet. Die Sternabbildungen sind allerdings weniger aufgebläht, Halo und Details deutlicher. Das Plus der vielen Aufnahmen schlägt sich in einer Verminderung des Rauschens nieder. Begrenzende Faktoren sind eindeutig die Teleskopöffnung sowie Kameratyp bzw. Kamerasensor. Mit einer gekühlten Astrokamera ist da sicherlich schon mehr drin.
NGC3521 ist eine keiner Galaxiengruppe zuzurechnende lichtschwächere Balkenspirale von etwa 145000 LJ. Durchmesser in 30 Mio LJ Entfernung im unteren Teil des Sternbildes "Löwe", ziemlich genau auf der Ekliptik liegend. Ihre ausgedehnten Sternentstehungsgebiete, der große, strukturreiche Halo, der an eine Blase erinnert, und die unterbrochenen Spiralarme deuten auf eine Verschmelzung vor langer Zeit mit einer anderen Galaxie hin. Entdeckt wurde NGC3521 1784 von Wilhelm Herschel.
NGC3521 ist eine keiner Galaxiengruppe zuzurechnende lichtschwächere Balkenspirale von etwa 145000 LJ. Durchmesser in 30 Mio LJ Entfernung im unteren Teil des Sternbildes "Löwe", ziemlich genau auf der Ekliptik liegend. Ihre ausgedehnten Sternentstehungsgebiete, der große, strukturreiche Halo, der an eine Blase erinnert, und die unterbrochenen Spiralarme deuten auf eine Verschmelzung vor langer Zeit mit einer anderen Galaxie hin. Entdeckt wurde NGC3521 1784 von Wilhelm Herschel.
Es passte genau in die Saure-Gurken-Zeit, dass von der Presse für Anfang Juni eine einzigartige "Planetenparade" vor Sonnenaufgang als herausragendes Ereignis "beworben" wurde. Ich wollte ja nicht nochmal durch potentiell überkritisches Verhalten eine vielleicht einmalige Gelegenheit versäumen, wie mir das beim Polarlicht Mitte Mai fast ergangen wäre. So habe ich mich etwas unreflektiert auf dies Ereignis gestürzt. Das Foto zeigt, wie sich das Spektakel in Mitteleuropa dann ausnahm. Selbst das Fachmagazin Sky&Telescope hat inzwischen eingeräumt, dass die Vorhersage "um es freundlich zu sagen, übermäßig optimistisch" war und darauf vertröstet, dass schon Ende Juni wieder eine Planetenparade stattfinden würde, diesmal aber wirklich bei dunklerem Himmel. Leider sah es da in unseren Breiten aber auch nicht besser aus, wie ich inzwischen enttäuscht feststellen musste.
Osthorizont am 4. Juni 2024 3h45 (eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang)
EOSM100 + 45 mm 1:6.3 4sec ISO800
nachbearbeitet mit PS CC + Plugins
Bis Sonnenaufgang sollte man wie auf einer Perlenkette links vom Mond die Planeten Jupiter, Merkur und Uranus, rechts davon Mars und Saturn sehen.
Tatsächlich war lediglich Mars am rechten Bildrand aufzufinden, Saturn stand weit außerhalb des Bildes bereits unsichtbar in den Wolken.
Für alle anderen war es nach ihrem Aufgang selbst für ein Fernglas entweder bereits zu hell oder zu dunstig oder beides.
Auf dem Foto sind oberhalb der Mondsichel hier gerade noch schwach einige Sterne aus dem "Widder" zu erkennen.
Bei dem roten Licht am Horizont rechts handelt es sich um "Noahs (illuminiertes) Segel", mit dem man Touristen in den Sternenpark locken möchte.
EOSM100 + 45 mm 1:6.3 4sec ISO800
nachbearbeitet mit PS CC + Plugins
Bis Sonnenaufgang sollte man wie auf einer Perlenkette links vom Mond die Planeten Jupiter, Merkur und Uranus, rechts davon Mars und Saturn sehen.
Tatsächlich war lediglich Mars am rechten Bildrand aufzufinden, Saturn stand weit außerhalb des Bildes bereits unsichtbar in den Wolken.
Für alle anderen war es nach ihrem Aufgang selbst für ein Fernglas entweder bereits zu hell oder zu dunstig oder beides.
Auf dem Foto sind oberhalb der Mondsichel hier gerade noch schwach einige Sterne aus dem "Widder" zu erkennen.
Bei dem roten Licht am Horizont rechts handelt es sich um "Noahs (illuminiertes) Segel", mit dem man Touristen in den Sternenpark locken möchte.
Eigentlich wollte ich noch den naheliegenden Motiven "Sonne" und "Mond" mit meinem langbrennweitigem 11-Zöller auf den Leib rücken. Das Instrument litt jedoch gleich unter mehreren technischen Problemen, sodass es nicht zur Verfügung stand. In Erinnerung an das eindrucksvolle Polarlicht habe ich daher gelegentlich eines Hundespazierganges wenigstens das folgende Sonnenfoto mit dem Teleobjektiv durch eine dünne Wolkendecke "geschossen" (aus Sicherheitsgründen nicht zur Nachahmung empfohlen), um zu sehen, was die Sonnenflecken so treiben. Da war tatsächlich eine Menge los, für Polarlicht bei uns reichte das aber nicht.
Sonne mit Flecken zwischen den Wolken 19.6.24 19h29
freihändig aufgenommen mit EOSM200 + Canon 200er Tele (abgeblendet auf 1:11) ISO100 1/4000sec im AV-Modus (Automatik mit Blendenvorwahl)
nachbearbeitet mit Photoshop CC
freihändig aufgenommen mit EOSM200 + Canon 200er Tele (abgeblendet auf 1:11) ISO100 1/4000sec im AV-Modus (Automatik mit Blendenvorwahl)
nachbearbeitet mit Photoshop CC
Résumé: Es gibt zwar auch an Weißen Nächten Eindrucksvolles am Himmel zu sehen, aber auch andere schöne Dinge im Leben, als gerade dann schwache Sterne zu fotografieren ...